Das ist mein Platz!

Heute ist der Tag, an dem ich mich aufmache, ein Pferd zu ...stehlen. Der geht glaube ich in die Geschichtsbücher ein. Das ist eine dieser Geschichten, die wir verrückten Frauen später auf Partys erzählen, denn keiner von uns hat vorher je nachts um 4 ein Pferd in den Harz gezogen. Eine kann gar nicht ziehen, eine hat überhaupt noch nie gezogen, eine nur in der Fahrschule und eine bisher nur einen 4 Raummeter Holzanhänger, der recht tot war gegen ein lebendiges Pferd. So jetzt ist es raus. Ab jetzt mach ich mir keine Sorgen mehr. Das schaffen wir.

Eine ganz unmögliche Reise von Seiten der beiteiligten Männer abgewunken, entschuldigt und rausgeredet. Für verrückt erklärt und gefährlich.

Ohne Frauen geht es nicht und klar sage ich: JA, ich mach das. Ich bin sehr überzeugend, denn nach 2,5 Stunden Schlaf schaukeln wir den Vito plus eine Pferdestärke mehr sutsche über die ersten Landsträßchen. Etappe 2 starten wir aus Greifswald. Ich hinten in Kissen eingehüllt. Noch von der Nachtfahrt am Abend vor diesem Morgen weichgespült. Die Jüngste von uns zieht nun das ganze Gefährt sicher durch die anbrechenden Stunden des Tages. Es ist unglaublich beruhigend, so eine ausgeglichene Morgenröte entschuldigt sich bei uns für die knappe Nacht und macht uns breit grinsend. Wir sind glücklich, denn wir schaffen auch Kilometer. Einer von uns summt, die nächste zeigt auf alle Abbiegungen und ich höre zu, was mein Gegenüber für wundervolle und traurige Geschichten auspackt. Gebe zwei Kissen ab und die Geschichten werden tiefer, weil wir versinken. Zwei Mal Pause, da man mit Pferdchen nicht aussteigen kann. Also ganz kurz nach draußen und nach Melone für Pferd wieder rein und weiter ziehen. Wir reichen uns Obstspieße und Schorle, lachen, weinen gemeinsam und erholen uns aneinander. Dabei ziehen wir nicht immer geradeaus, über Wege, die kein Navi kennt. Ich schlafe für 5 min ein, träume und erwache mitten auf einer Wiese. Festgefahren. Fantastisch denke ich, also raus da, wahlweise Fassungslosigkeit oder blanke Furcht auf den Gesichtern. Eine weint stumm, der Rest ist geschockt. Ich übernehme, mach ganz kurz die Augen zu, gehe in meine Gedanken nehme alles, was ich brauche und nun weiß ich wie es geht. Sie laden das Pferd aus, weil die Reifen genug durchgedreht haben. Ich fahre, die Jüngste nun links vor mir als Anweiser, mit geöffneten Fenstern zu beiden Seiten den langen Zug aus dem Matsch in 2 Zügen. Es geht nur Rückwärts. Das Pferd kommt zurück. Glück sieht anders aus. Ich krieg eine Peitsche mit den Worten, weil du die Souveränste von uns bist. Du musst nichts machen, sagt Moje, denk einfach und ganz klar: Das ist mein Platz! Stell dich hinter das Pferd, meine Peitsche zeigt auf den Feldweg. Ich denke, nein ich fühle: Das ist mein Platz! Und er wird sofort zu meinem. Auch wenn es ganz kurz die Ohren zu mir dreht und stockt, ich weiß dass es nicht zurücktritt, halten zwei von uns den Atem an. DU kannst das! Das Pferd steigt ein. Die Sicherung klickt. Alles schreit. Ich werde angesprungen. Nun begreife ich wie verdammt knapp das war. Wo ist der Schnaps? Sagt eine von uns, den hab ich vergessen, kommt grinsend von mir. Alles muss lachen. Wir fahren weiter, halten uns an die offizielle Umleitung und kommen nach 17 weiteren Kilometern Serpentinen und einer weiteren dreiviertel Stunde an, wo wir hingehören. Wir sind ganz da. Die Umgebung bezaubernd und einfach der Wahnsinn, der Teil zu dem wir jetzt gehören so lala, erschrocken steigt eine von aus und sagt, ich will hier wieder weg. Ich seh sie an und muss so laut lachen. Die ganze Anspannung der letzten Stunden bricht aus. Das kann man verstehen, wenn man diese Reise selbst gemacht hat. Dafür sind wir hier. Die Berge verneigen sich vor dem Vier-Frauen-Vito und ein bisschen vor seiner Naivität.
Sowas hat kaum einer von uns je gesehen. Aber Pferd und Reiter sind glücklich. Ist es nicht das, was wir am meisten wollten? Eine von uns tanzt, während die 3 übrigen denken, dass das alles nicht wahr sein kann. Teller werden gedeckt, die haben Essen von vorgestern an den Rändern und damit mehr Leben an sich, als das, was mit uns hier atmet. Wir sitzen am Kaffeetisch mit zwei sehr unbeweglichen Frauen und ich höre zu. Ich will die Geschichten nicht hören und trotzdem muss ich. Meine liebste Herzensfreundin, für die wir diesen Wunsch gefahren haben, greift unter dem Tisch meine Hand und bittet stumm: Bitte sage nichts dazu. Bitte drückt sie als Morsezeichen in meine Haut. Ich sehe sie an, grinse und weiß sie kann mich gerade nicht hören. Also drücke ich sie zurück. So halten wir unsere Hände im Verborgenen und erzählen unter dem Tisch unsere ganz eigene Geschichte. Ich bleibe still, kein Licht der Welt erhält hier irgendwer von mir, außer diese schöne Frau neben mir, die mich immer noch versucht, zu beruhigen. Fast völlig grundlos wie ich finde. Wenn die mich „brennen“ sehen - würde ihre Welt eine andere werden, also mach ich das Licht aus. Das ist mein Platz, denke ich und er wird meiner. Ein Raum in dem nur der 4 Frauen-Vito seinen Platz hat.
Wir parken den Anhänger schräg an einem Berg, sichern, abkuppeln und sind nur wenige Augenblicke und Kuss für die von uns, die zurückbleiben, wieder auf der kurvigen Abfahrt. Rollen um eine Pferdestärke leichter ins Tal. Es ist schön hier. Warm und wild. Ich liebe die Begrenzung am Horizont, weil ich so weit bin, dass ich Grenzen brauche. Meine Freundin neben mir sagt, sie braucht das Meer. Lasst uns zum Meer fahren. Wir fahren und hinten schläft die Größte von uns, die uns 6 Stunden gezogen hat ohne ein schweres Wort. Wie gut wir zusammenpassen, der 3 Frauen-Vito. Lieben, leben und schlafen auf 4 m2.

Ich will eins dieser Häuser, die so klein sind, dass man die Wände fast berühren kann und dann will ich mir jeden einladen, der Nähe und Abstand genug hat. Wir ziehen 4 mal durch einen Stau, der so lang ist das man denkt, wir kommen nie an. Unsere Augen werden von groß zu ganz schmal. Stehenbleiben, Anfahren, ich war noch nie so müde. Hamburg erreicht mich kurz vor meinem ersten Sekundenschlaf und ich rette mich aus dem Vito an die frische Luft. Hamburg ist warm und strahlt mich wach. Wir haben es geschafft. Da, wo gestern die Reise begann, ist sie heute fast beendet. Wir streicheln den starken Vito. Ich bin so stolz. Absolut erschlagen, kaum noch in der Lage zu sprechen, sind wir nun zurück, viele Kilometer reicher mit einem Schatz in meinem Inneren:

Das ist mein Platz!

Bitte Umrühren!

Wir hatten einen Totalausfall unserer Heizung. Bis heute morgen waren nur noch 10 Grad im Haus. Jetzt wärmt die obere Hälfte des Hauses wieder durch, die unteren Drittel allerdings bleiben kalt. Warme Luft steigt nach oben und so haben wir ein wenig Physik in den eigenen 4 Wänden.

 

Ein Temperaturanstieg von 10 Grad vom Sitzen zum Stehen. Wir könnten auf Hocker klettern oder auch gleich auf die Tische oder wir besteigen unsere Hochbetten und verschwinden für ein paar Tage, bis dass die dicke Luft auch endlich unsere Füße erreicht.

 

Während unsere Oberkörper gerade wieder auftauen, bleiben die Beine gefroren. Ich denke zwei Tage werden wir den „Brei“ hier noch umrühren müssen, bis dass warm und kalt ein Konglomerat aus lauem Wohlgefühl ergeben und wir wieder vollends geborgen werden können. 

Nur für den Moment

Bitte Umrühren!

Vom Laufen

Meine Tour ist beendet und mein Herz klopft in meinen Beinen. Warum ich laufe? Weil ich es liebe zu atmen. Ich hab den Medizinischen Kurs gelesen und verstehe, dass die Blüte duftet, weil sie sich dem Festwerden entzieht. Also nehmen wir sie auf. Auch wir entsprechen dem Ätherischem und genau dort empfinden wir. An der Oberfläche. Ich laufe weil ich dann fliegen kann. Ich mag den Wald am Ende des Weges und atme ihn ein. Vielleicht entziehen wir uns beide der Festigkeit. Laufen ist eines der natürlichsten Dinge, die wir tun können. Jeder kann das. Goethe, der beim Spazierengehen beide Arme wild schwenkte, sagte so gehe er naturgemäßer. Ein Relikt des vierbeinigen Tieres. Er sah es als Beweis dafür, dass Mensch und Tier einen gemeinsamen Vorfahren hätten und erntete besorgte Blicke. Aber es machte ihm nichts aus. Ich atme auf meinen Wegen immer ein Stück Wald ein und wenn ich Zuhause bin das aus, was keinen langen Atem hat. 6 km durch den Wald gelaufen und 820 ml Flüssigkeit verbraucht. Auf 1:56 min/km beschleunigt und mit bis zu 172 Herzschlägen begleitet. Das sind die Zahlen. Das wichtigste aber bleibt unsichtbar. Darum laufe ich!